Gesundheitsrisiko Rauchen: Jetzt haben Forscher entdeckt, dass Zigaretten
auch das Erbgut beeinflussen – in einem extrem hohen Ausmaß.
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Stinkt und schadet der Gesundheit: der Rauch von Zigaretten.
von Pia Heinemann
Es sind nur fünf Minuten, ein wenig Rauch und ein paar Atemzüge, und doch
verändert eine Zigarette die Lesart unseres Erbguts. Und zwar viel stärker,
als bislang gedacht. Forscher haben im Journal „BMC Medical Genomic“ nun die
bisher größte Studie zum Einfluss des Rauchens auf die Aktivität von Genen
veröffentlicht. Das Team um Jac C. Charlesworth von der Southwest Foundation
for Biomedical Research im texanischen San Antonio hat Blutproben von 1.240
Probanden – Rauchern und Nichtrauchern – auf molekularer Ebene untersucht.
323 einzelne Gene wurden identifiziert, deren Ableserate durch den Rauch
eindeutig verändert wurde. „Bisher wurde nie eine so klare Verbindung zwischen
Rauchen und den Ableseraten von Genen aufgezeigt“, sagte Jac Charlesworth.
Das Immunsystem wird verändert
„Das Ausmaß, in dem Zigarettenrauch unsere Gene beeinflusst, ist wirklich
ernüchternd hoch.“ Die Forscher konnten bei den rauchenden Probanden
signifikante Veränderungen der Ableseraten von Genen feststellen, die mit den
typischen Raucherkrankheiten in Zusammenhang stehen: beispielsweise mit einem
veränderten Immunsystem, einer erhöhten Sterberate von Zellen, einer erhöhten
Zellteilungsrate – die für die Entstehung von Krebs eine Rolle spielt – und in
der Verarbeitung von körperfremden Partikeln.
„Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass nicht nur einzelne Gene, sondern ganze
Netzwerke von miteinander arbeitenden Genen durch das Zigarettenrauchen
beeinflusst werden“, erklärte Jac Charles-?worth. „Wahrscheinlich ist es der
Einfluss des Rauches auf die Gene, der die gesundheitsschädlichen Folgen
verursacht“, sagte sie.
Die Forscher hatten Blutproben von 1240 Amerikanern mexikanischer Abstammung
untersucht, die aus 46 Familien kamen und sich freiwillig gemeldet hatten. Unter
ihnen waren Raucher und Nichtraucher, Frauen und Männer. Die jüngsten Teilnehmer
waren 16 Jahre alt, die ältesten 94. In den Blutproben haben die Wissenschaftler
dann die Aktivität verschiedener Gene in einer bestimmten Art von weißen
Blutkörperchen (Lymphozyten) gemessen.
Nicht nur Hinweise auf die Aktivität von Genen, von denen bereits klar war,
dass das Rauchen sie anschaltet, tauchten in den Proben auf – sondern auch neue,
von denen es eigentlich keiner erwartet hätte. Jährlich sterben weltweit rund
fünf Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Rauchen gilt zudem als
die führende vermeidbare Ursache eines vorzeitigen Todes. Das liegt daran, dass
es auf nahezu jedes Organ des menschlichen Körpers negativ wirkt. Es löst nicht
nur Lungenkrebs und andere Lungenkrankheiten aus, sondern auch eine ganze Anzahl
weiterer Krebsarten, es schwächt das Immunsystem und verschlechtert die
Wundheilung.
Tausende Schadstoffe im Rauch
Dass das Rauchen von Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen so rundum schädlich
ist, liegt daran, dass im Rauch eine sehr hohe Konzentration von bis zu 4.000
verschiedenen, für den Körper giftigen Komponenten enthalten ist. Ihre Wirkung
auf den Stoffwechsel und die Aktivität der Gene zu untersuchen ist entsprechend
anspruchsvoll. Bisher wurden immer nur kleine Studien durchgeführt.
Die Forscher können immerhin erklären, wie der Rauch wirkt: Die Giftstoffe
gelangen über die Lungenbläschen in den Blutstrom und werden in alle Organe
transportiert. Sie regen die Zellen dazu an, dass bestimmte Gene abgelesen
werden – was die Forscher dadurch erkennen konnten, dass bei diesem
Ablesevorgang RNA entsteht, die sie identifizieren können. Dass die Forscher
ihre Untersuchungen an den Lymphozyten durchführten, beschreiben sie als
besonders gelungenen Ansatz: Denn diese Zellen sind leicht zu gewinnen und sind
Übermittler des Rauches an die verschiedenen Organe. Jac Charlesworth betont
zudem, dass das Rauchen den Körper des Menschen länger und tiefgreifender
beeinflusst, als bislang gedacht.
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