Der Kampf ist eröffnet: Als vergangene Woche der britische Physiker Stephen Wolfram erstmals der Öffentlichkeit die neue „Antwortmaschine“ Wolfram Alpha vorstellte, kündigte Google einen eigenen neuen Dienst an. Wolfram Alpha greift auf Datenbanken zurück, die von Wolfram Research betrieben werden, und wendet auf ihre Inhalte Algorithmen an, um Antworten auf Fragen zu generieren, die Nutzer stellen.
Mit dem vom Wolfram-Team vorab zur Verfügung gestellten Login machte ich die Probe aufs Exempel: Wolfram Alpha vs. Google (in der Standardform). Ich gab jeweils die gleichen Anfragen ein und variierte sie in einigen Fällen, um zu sehen, was passiert.
Auf diese Weise wollte ich jenseits der allgemeineren Beschreibungen, die ich bei einem Besuch bei Wolfram Research bekommen hatte, einige reale Ergebnisse produzieren. Und natürlich den Anspruch der neuen Maschine überprüfen: Antworten aus Suchanfragen zu „berechnen“. Hier ist das Ergebnis meines Tests.
1. Anfrage: Microsoft Apple
Wolfram Alpha: Als Antwort erhielt ich in Tabellenform Grafiken der Börsenkurse beider Unternehmen sowie Charts, die die Kursentwicklung im Laufe der Zeit zeigten.
Google: Die Top-Treffer waren im Wesentlichen Nachrichten aus verschiedenen Medien, die beide Begriffe enthielten.
Variation: Gab ich nur „Microsoft“ oder „Apple“ ein, bekam ich zuerst ein Chart mit dem Börsenkurs des Tages. Auf einen Klick hin wurden dann Unmengen Information – vergleichbar dem Ergebnis von Wolfram Alpha – angezeigt. Das funktionierte aber immer nur für jede der beiden Firmen einzeln.
2. Anfrage: Sydney New York
Wolfram Alpha: Wiederum in Tabellenform lieferte der Dienst den Abstand beider Städte in Meilen, Kilometern und sogar nautischen Meilen; eine Weltkarte, auf der die beste Flugroute zwischen beiden eingezeichnet war; und auch die Information, dass die Routenlänge 40 Prozent des Erdumfangs entspricht. Ich erfuhr auch, wie lange die Reise dauern würde: 18,1 Stunden für ein Flugzeug, 13 Stunden für eine Schallwelle, 74 Millisekunden für Licht in einem Glasfaserkabel; und 53 Millisekunden für Licht im Vakuum. Dazu kamen Vergleiche der Bevölkerungsgrößen und der Höhe über dem Meeresspiegel in Metern sowie die momentanen lokalen Uhrzeiten.
Google: Die Suchmaschine präsentierte mir ein Mix aus verschiedenen Informationen: ein Formular, mit dem man Flüge zwischen Sydney und New York finden kann; eine Google-Maps-Liste von New Yorker Firmen, die das Wort „Sydney“ enthalten sowie Links zur Kommunalverwaltung von Sydney, einem Ort im Bundesstaat New York.
Variation: Als ich „Sydney New York Entfernung“ ausprobierte, lieferte Wolfram Alpha nur die Entfernungsantworten. Google hingegen präsentierte Links zu Webseiten, auf denen sich die Entfernung zwischen Städten herausfinden lässt. Ich folgte dem ersten, gab dann in einem Formular „New York“ und „Sydney“ ein und bekam dieselbe Information wie bei Wolfram Alpha – allerdings ohne die Angaben zu Licht und Schallwellen.
3. Anfrage: 10 Pfund Kilogramm
Wolfram Alpha: Die Antwortmaschine interpretierte die Eingabe als den Versuch, „10 Pfund“ mit „1 Kilogramm“ zu multiplizieren. Ergebnis: 4,536 kg2 oder 22,05 lb2.
Google: Die Suchmaschine lieferte Links zu verschiedenen Seiten, auf denen sich Maße ineinander umrechnen lassen.
Variation: Ganz anders lief die Sache, als ich das Wort „in“ hinzufügte. Für „10 Pfund in Kilogramm“ bekam ich von Wolfram Alpha die korrekte Umrechnung: 10 Pfund entsprechen 4,536 Kilogramm. Dazu erhielt ich das Volumen – in verschiedenen Einheiten – von 10 Pfund Wasser. Etwas billig fand ich den Hinweis, 10 Pfund seien 1,8 mal schwerer als Stephen Wolframs Buch „A New Kind of Science“. Google lieferte auf die veränderte Anfrage die gewünschte Umrechnung als ersten Treffer: 10 Pfund = 4,5359237 Kilogramm.
Die Anfrage „10 lbs kgs“ interpretierte Wolfram Alpha wieder als Multiplikation, mit dem entsprechenden Ergebnis. Google spuckte Umrechnungsseiten aus. Ganz oben landete ein „Russian Brides Cyber Guide“ – der sowohl russische Frauen als auch Umrechnungen anbietet.
Beim Versuch „10 pds kgs“ musste Wolfram Alpha passen. Google hingegen fragte zurück, ob ich „Pfund“ (pounds) meinte und listete wieder Umrechnungsseiten auf, aber nicht das Ergebnis.
4. Anfrage: Glühbirne
Wolfram Alpha: Ich war schon auf Fakten und Graphiken zu dieser Allerweltstechnologie gefasst und bekam stattdessen als Antwort: Wolfram Alpha „ist nicht sicher, was es mit diesem Input machen soll“ ("isn't sure what to do with your input").
Google: Wieder verschiedene Links, als erstes der entsprechende Wikipedia-Eintrag über die Glühbirne und ihre Geschichte.
Variation: Bei „Glühbirne Erfinder“ fast dasselbe – Wolfram Alpha musste passen, während Google nützliche Links lieferte. „Erste Glühbirne“ ergab bei Wolfram Alpha eine Tabelle, in der stand, dass die erste Glühbirne 1878 patentiert worden war. Als ich „beteiligte Personen“ hinzufügte, nannte es auch Thomas Edison.
5. Anfrage: Aspirin Tylenol
Wolfram Alpha: Hier erhielt ich die molekularen Darstellungen von Aspirin und Acetaminophen, dem Wirkstoff von Tylenol [auch als Paracetamol bekannt], sowie haufenweise wissenschaftliche Informationen, die Molekulargewicht, Siedepunkt, Dampfdruck und andere physikalische Parameter der beiden Stoffe gegenüberstellten.
Google: Der erste Treffer erwies sich als nützlich für Nichtchemiker, die unter Kopfschmerzen leiden: eine Wiki-Answers-Seite, die Aufschluss darüber gibt, ob man Aspirin oder Tylenol zusammen nehmen sollte. Andere Links führten zu Informationen über Toxizität, möglichen schädlichen Auswirkungen auf die Nieren und anderem.
6. Anfrage: Stanford Harvard
Wolfram Alpha: In einer Tabelle wurden Daten beider Universitäten gegenübergestellt: Anzahl der Studenten, aufgeschlüsselt nach den Anteilen für Vollzeit oder Teilzeit, Hauptstudium oder abgeschlossenem Master. Dazu die Anzahl von Studenten im Hauptstudium, mit Master oder Doktorgrad und ähnliche Daten. Die Studiengebühr wurde mit 25.000 Dollar angegeben, was nicht richtig ist. Für Harvard wurde keine Gebühr genannt. Zusätzlich, wie bei allen anderen Anfragen, nannte Wolfram Alpha Quellen, mit deren Hilfe sich die Ergebnisse überprüfen ließen.
Google: Hier bekam ich eine Fülle von Links, angefangen mit einem Forum für angehende Studenten, die das passende College suchen, und diversen Nachrichten, die beide Begriffe enthielten.
7. Anfrage: Krebs New York
Wolfram Alpha: Ich hatte eigentlich Krebsstatistiken für New York im Sinn gehabt, aber die Maschine interpretierte „Krebs“ als Sternbild. So erfuhr ich, wo man es im New Yorker Nachthimmel sehen kann und wann es beim nächsten Mal auf- und untergeht. Dazu gab es eine Karte des nächtlichen Sternenhimmels.
Google: Der erste Link führte zum Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York, der zweite zur Krebs-Informationsseite der New Yorker Gesundheitsbehörde. Der dritte Link gehörte zum Krebs-Register des Bundesstaates New York. Nicht schlecht.
Variationen: Die Eingabe eines weiteren Bundesstaates „Krebs New York Nevada“ verwirrte Wolfram Alpha wieder. Bei Google bezogen sich die Top-Ergebnisse auf Nevada: Nachrichten sowie Webauftritte von Rechtsanwälten und medizinischen Krebszentren in Nevada. Jedoch keine Vergleiche zwischen beiden Staaten, keine Daten – lange nicht so nützlich wie die Antwort auf die ursprüngliche Anfrage.
8. Anfrage: Utah Florida Bevölkerung
Wolfram Alpha: In einer Tabelle wurden verschiedene Informationen gegenübergestellt: die Bevölkerung im Jahr 2006, das Bevölkerungswachstum zwischen 2000 und 2006 (inklusive einer Grafik zum Runterladen) und die Zahl der jährlichen Geburten und Todesfälle 2004.
Google: Obwohl Google gerade einen Datendienst gestartet hat, der auf offizielle demografische Daten zugreift, wurde ich nicht dorthin geleitet. Der erste Treffer war eine Pressemitteilungen des US Census Bureau (dem Amt für demographische Datenerhebung), der Links zu Bevölkerungstabellen enthielt.
Variationen: Bei „Utah Bevölkerung“ klappte es mit Googles neuem Dienst. Ich bekam eine einfache Grafik der Bevölkerungsentwicklung des Bundesstaates Utah von 1980 bis heute angezeigt.
„Utah Florida“ brachte Wolfram Alpha dazu, einen ganzen Almanach zu produzieren: Tabellen mit Bevölkerungsdaten, den höchsten Erhebungen und den am tiefsten gelegenen Punkten jedes Bundesstaates, den Jahreszahlen ihrer Beitritte zu den USA, Agrarflächen, durchschnittlichen Haushaltseinkommen, Armutsstatistiken usw. Google lieferte hingegen Zufallstreffer, die beide Wörter enthielten: als ersten eine Karte mit dem Eintrag einer Firma in Lake Mary in Florida, deren Name „Utah“ enthält.
Fazit: Ich habe keine Suchbegriffe genommen, die ganz offensichtlich keine berechenbare Antwort haben und Wolfram Alpha überfordert hätten. Andererseits wollte ich den Schöpfern der Antwortmaschine auch nicht den Gefallen tun und Anfragen aus Physik, Chemie, Ingenieurwesen oder Genomik nehmen. Zu Fragen harter Wissenschaft liefert Wolfram Alpha Tonnen von Symbolen, Grafiken und anderen Informationen, die für Forscher nützlich, für die meisten Menschen aber kryptisch sind. Bei vielen landläufigen Fragen, für die es keine klaren Datenelemente gibt, ist der Dienst nicht so hilfreich. Wie auch immer: Testen Sie es selbst. Nach Plan sollte es in zwei, drei Wochen online gehen.
Von David Talbot
Quelle: Heise.de